Page 5 - Journal 4 September Oktober 2021
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MENSCHEN & NATUR
Hochwasser-Alarm im Pinzgau dem Jahr 2000 von Wald bis Zell am See nahezu flächende-
ckend für Siedlungsgebiete errichtet wurden, sind auf ein
„2005 erlebten wir im Oberpinzgau ein 100-jährliches Er- 100-jährliches Hochwasser mit 50 cm Freibord (=zusätz-
eignis, das Hochwasser 2014 gestaltete sich ähnlich, und liche Sicherheitshöhe) bemessen.“ Außergewöhnlich dra-
das Ereignis im heurigen Juli würde ich noch massiver matisch entwickelte sich die Situation in Mittersill, wo ab
als ein 100-jährliches Ereignis einschätzen“, erklärt Mar- den Abendstunden des 18. Juli der Retentionsraum west-
tin Zopp. Er zeichnet seit über 20 Jahren für die Planung lich des Ortes volllief (mit einem Wasserstand ca. 1,7 m
der Schutzbauten an Salzach und Saalach im Pinzgau über dem Wasserspiegel HW 100 und nur 10 cm unter der
verantwortlich. Als Ursache für die Häufung der Extrem- Dammkrone!) und eine Überflutung des Ortszentrums
ereignisse nennt er als erstes den Klimawandel, durch den drohte. „Leider ließ sich eine Überflutung des Gewerbege-
Niederschlagsintensität und Schneefallgrenze kontinuier- biets Mittersill West nicht vermeiden. Insgesamt war der
lich ansteigen. „Es lässt sich belegen, dass früher bei Nie- Oberpinzgau nach den Jahren 2005 und 2014 zum dritten
derschlägen ein Drittel des Einzugsgebietes westlich von Mal innerhalb von 16 Jahren von einem sehr großen Hoch-
Mittersill beschneit wurde. Der Schnee blieb zumindest wasser betroffen, wobei dieses Mal der gesamte Abschnitt
eine Zeit lang liegen. Heute befindet sich die Nullgradgren- von Wald bis Zell am See flächendeckend berührt wurde.“
ze zum Teil schon auf 4.000 Metern Seehöhe. Der gesamte
Niederschlag fließt sofort in die Täler ab“, so Zopp.
Extreme, lang andauernde Hochwasserwelle Foto: © Land Salzburg/Roman Kittl
Mit Blick auf den Juli 2021 führt er aus, dass die INCA-Nie-
derschlagsanalyse (Quelle ZAMG Salzburg) deutlich ma- Am 18.7.2021 bei der Hubbrücke in Mittersill: im Bild (v.l.n.r.)
che, dass am 17. und 18. Juli im Bereich der Hohen Tauern Bürgermeister Wolfgang Viertler, der Salzburger Landesrat Josef
binnen 48 Stunden zwischen 100 und 145 mm Niederschlag Schwaiger und Martin Zopp/Referat Schutzwasserwirtschaft
verzeichnet wurden. „Die Nullgradgrenze lag zwischen
3.500 und 3.800 Metern Seehöhe. Damit fiel der Nieder- Notwendige Analyse und Planung für die Zukunft
schlag im Einzugsgebiet fast ausschließlich in Form von Das Hochwasser vom Juli 2021 habe, so der Experte des
Regen. Die in der Folge rund 36 Stunden anhaltende, hohe Referates Schutzwasserwirtschaft beim Land Salzburg,
Wasserführung aller Zubringer zur Salzach löste eine ex- deutlich gemacht, dass aufgrund der klimatischen Ver-
treme, lang andauernde Hochwasserwelle aus, durch die änderungen auch in Zukunft des Öfteren mit extremen
Teile des Talbodens im Salzachtal von Neukirchen bis Zell Hochwässern im Oberpinzgau zu rechnen sei. „Insbeson-
am See großflächig überflutet wurden. Zusätzlich mussten dere bei länger andauernden Hochwasserwellen werden
wir infolge der enormen Wassermengen und durch das die bestehenden, natürlichen wie künstlichen Retentions-
Überströmen der Ufer zahlreiche Erosionen im Bereich räume im Talboden des Salzachtals überlastet und kön-
der Bahnanlage feststellen. Es entstanden beträchtliche nen noch größere Wassermengen nicht mehr aufnehmen.
Schäden an Infrastruktureinrichtungen, an Objekten und Unsere Abteilung wurde daher vom zuständigen Landes-
auch eingeschränkt an Hochwasserschutzanlagen. Groß rat Dr. Josef Schwaiger beauftragt, weitere Möglichkeiten
zur Verbesserung des Hochwasserschutzes im Oberpinz-
Foto: © EXPA/Groder gau zu untersuchen. Dazu zählen u.a. die Optimierungen
von bestehenden Hochwasserschutzanlagen im Talboden,
Durch die schweren Unwetter am Montag,16.8.2021, ist die die Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen für noch
Krimmler Ache über die Ufer getreten. Im Bild: unterspülte nicht geschützte Siedlungsbereiche, eine Analyse, inwie-
Bahngleise in Wald im Pinzgau weit Retentionsflächen im Talboden optimiert sowie neue
Retentionsräume an den südlichen Zubringern (Tauern-
waren die Schäden an der direkt entlang der Salzach ver- täler) geschaffen werden können und, last, but not least,
laufenden Pinzgaubahn sowie an landwirtschaftlichen eine Prüfung der Optimierung bestehender Kraftwerks-
Flächen, insbesondere westlich von Mittersill.“ Bemer- speicher. Als erster Schritt wird mittels eines Niederschlag-
kenswert sei, so Zopp, dass es auch zu einer Überlastung Abflussmodells die Wirksamkeit von Maßnahmen oder
von Hochwasserschutzanlagen gekommen sei, wodurch deren Kombinationen berechnet. Parallel dazu werden die
sich die Überflutung einiger Objekte sowie von Betrieben Hochwassersofortmaßnahmen weiter fortgesetzt sowie
erklären lasse. „Die Hochwasserschutzanlagen, die seit einzelne Projekte vorbereitet. Ziel ist es, bis zum nächsten
Sommer Optimierungen und Neubauten von Hochwasser-
schutzmaßnahmen im Talboden umzusetzen sowie ein
Gesamtkonzept für weitere Verbesserungen vorzulegen.“
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