Page 90 - Dachsbracke Jahresbericht 2015
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etwas gemütlicher an. War der Hase oder Fuchs nicht nach ein bis zwei Stunden zur Strecke                                 Foto: Degiacomi
gebracht, hielt er ein Weiterjagen nicht für sinnvoll. Trotzdem war er eisern in seinem Finderwillen
und brachte fast jedes Mal einen Hasen auf die Läufe. Für jeden Brackenjäger ist es ein beson-
deres Glücksgefühl, wenn es gelingt, seinem jungen Hund den ersten Hasen vorzuschießen,
wenn er sich überzeugen kann, dass Spurlaut und Passion in ausreichendem Maße vorhanden
sind. Die Beute ist zwar „nur“ ein Hase oder Fuchs, es gibt keine Punkte, kein Bestaunen bei He-
geschauen, die stille Freude am Erlebten ist dennoch riesengroß. Nur der Brackenjäger kann das
nachempfinden. Mein Rüde Gallus war noch kein Jahr alt, als ich ihn eines Novembernachmit-
tags in einem verheißungsvollen Revierteil zur Lauten Jagd schnallte und zur Suche aneiferte.
Nach etwa einer Viertelstunde hörte ich irgendwo seinen kräftigen Rüdenlaut, manchmal kaum
vernehmbar, dann wieder ganz deutlich.
Das Faszinierende an der Brackierjagd
ist das Mitverfolgen mit dem Ohr, das
Ansteigen der Spannung, wenn sich
der Laut nähert, aber auch das Auge
muss ständig wachsam sein, denn oft
taucht der Hase bereits weit vor dem
Hund lautlos wie ein Gespenst auf.
Jetzt bewegte sich die Jagd etwa 200
Meter oberhalb meines Standplatzes in
östliche Richtung, ging durch eine mir
nicht einsehbare Senke talwärts, dann
nochmals bergan. Der Laut wurde im-
mer wieder kurz unterbrochen, um mit
großer Passion wieder zu erschallen.
Das Ganze dauerte inzwischen etwa
20 Minuten, es wurde langsam dunkler,
meine Finger wurden klamm. Plötzlich
flitzte ein weißes Etwas aus dem Jungwuchs direkt vor meine Füße – ein Schneehase! So rasch
wie er auftauchte, wollte er auch wieder weg. Einen Schuss konnte ich ihm nachwerfen, dann
verschwand er über der Geländekante. Kurze Zeit später kam auch Gallus lautgebend daher
und begann an der Anschussstelle unsicher herumzusuchen, zu faseln, wie der Brackenjäger
sagt. Ich ging hin und fand dort etwas weiße Wolle. Also war der Hase doch getroffen. Hier
war die Gesundwitterung des Hasen in die Krankwitterung umgeschlagen, daraus erklärte sich
auch die Unsicherheit des Hundes. Innerlich machte ich mir schwere Vorwürfe wegen meines
überhasteten Schusses. War ich zu überrascht gewesen, so weit herunten im Tal einen Weißen
anzutreffen, den ich vor meinem jungen Hunde unbedingt zu Strecke bringen wollte?
Die Zeit drängte, denn es war schon ziemlich dunkel. Mit meiner Hilfe fand Gallus wieder den
Abgang, ich hörte ihn aufjauchzen, aber nach etwa 100 Metern verstummte sein Laut. Was jetzt?
Ratlos stand ich da und wartete, da tauchte Gallus schemenhaft zwischen den Bäumen vor mir
auf. Als er mich bemerkte, wedelte er freudig mit der Rute und drehte wieder ab. Ich folgte ihm
in der Hoffnung, dass die Jagd nun doch ein gutes Ende nehmen könnte. Er verschwand vor mir
in einer Dickung, ich kämpfte mich nach, und nach wenigen Metern lag der Weiße. Überglücklich
lobte ich meinen Hund und nahm die Beute auf. Sie war klein, eben „ nur“ ein Hase. Dennoch
bedeutete mir dieses Erleben unendlich viel. Die Arbeit des Hundes, das angespannte, oft stun-
denlange Warten am Stand, das plötzliche, lautlose Auftauchen des Hasen oder Fuchses, all
dies macht den ungeheuren Reiz dieser Jagdart aus.

                                                                                                     Peter Mattersberger

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