Page 5 - Journal 9 November 2019
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MENSCHEN & KULTUR

Zum ersten Vierteljahrhundert des Stadttheaters      gespielt. Erst zwei Jahre später konnten geeignete
Bruneck hat Joachim Gatterer eine Chronik ver-       Räumlichkeiten gefunden werden. 1999 erfolg-
fasst, die einen Blick zurück auf die wechselvolle,  te der Umzug in die ehemaligen Räumlichkeiten
mitunter abenteuerliche, aber letztlich erfolgrei-   einer Elektrofirma. Seit damals hat das Stadtthea-
che Geschichte wirft. Erfolgsautor Felix Mitterer    ter im Haus in der Dantestraße 21 seine Heimat.
meint darin in einem Beitrag „Wer kann ohne das      Im Laufe der Jahre wurde auch das Obergeschoss
Stadttheater Bruneck auskommen? Keiner. Nicht        adaptiert, in welchem sich die Wohnung für die
die Brunecker, nicht die Südtiroler, nicht die       Regisseure sowie Wohnräume für die wechseln-
Nordtiroler, überhaupt weithin die Österreicher      den Schauspieler befinden. Im Keller konnten die
nicht. Ich auch nicht!“ und bringt damit nicht       Werkstatt und eine Probebühne untergebracht
nur seine hohe Wertschätzung, sondern auch die       werden.
enge Verbundenheit mit dem Stadttheater und
Klaus Gasperi zum Ausdruck.                          Wenn man heute ins Stadttheater Bruneck
                                                     kommt, fühlt es sich an, als betrete man eine an-
Begonnen hat alles vor 25 Jahren, im Jänner 1994,    dere, eine faszinierende Welt. Die Räumlichkeiten
im Pub Hotel Bruneck. Klaus Gasperi, zuvor jahre-    haben etwas von Großstadtflair, Theaterluft um-
lang am Innsbrucker Landestheater beschäftigt,       hüllt einen. Im Nu ist man angekommen in der
suchte nach seiner Rückkehr aus Kuba, wo er ein      fabelhaften Welt von Klaus Gasperi. Bei unserem
Jahr lang als Bühnenbildner tätig war, ein neues     Besuch in Bruneck führt uns der Initiator und
Tätigkeitsfeld. Über Umwege und im wahrsten          Chef des Stadttheaters in Personalunion, vom
Sinn des Wortes „über Nacht“ wurde, gemeinsam        Eingangsbereich, vorbei an der gekonnt gestal-
mit Mitstreitern, im Pub Hotel Bruneck ein neuer     teten Bar, hinein in den Zuschauerraum. Die Be-
Theaterverein und das „Theater im Pub“ aus der       stuhlung stammt übrigens aus dem Innsbrucker
Taufe gehoben. An die 80 Theaterbesucher fan-        Landestheater – Nostalgie vom Feinsten!
den hier Platz. Die Bevölke-
rung nahm das neue kulturel-                         Die Bühne ist großzügig in einem Zubau eingebet-
le Angebot gut an, was auch                          tet. Sie beeindruckt durch ihre Einfachheit, lässt
die steigende Anzahl an Mit-                         aber in technischer Hinsicht kaum Wünsche of-
gliedern, Förderern und Spon-                        fen. Und das Programm des Stadttheater Bruneck
soren bewies. Von Beginn an                          selbst? Es fasziniert und hat für Jeden – von 5 bis
gab es aber auch Probleme,                           100 Jahre – etwas zu bieten. Wer modernes Volks-
insbesondere von Seiten der                          theater liebt, kommt hier genauso auf seine Rech-
Behörden. Nach drei Jahren                           nung wie derjenige, der gerne mehr über aktuelle
war wegen baurechtlicher                             gesellschaftspolitische Themen erfährt. Aber auch
Mängel Schluss mit dem Pub.                          Klassiker und neuzeitliche Werke gelangen im
Für Klaus Gasperi und sein
Team stellte dies jedoch kein
unüberbrückbares Hindernis
dar. Vorerst öffnete das „Thea-
ter im Zelt“ seine Tore – er-
neut „über Nacht“. Trotz feh-
lender Genehmigung schritt
die Stadtgemeinde nicht ein,
schließlich waren Presse und
TV-Anstalten bereits infor-
miert. Um auf die Geringschätzung von Seiten
der Politik hinzuweisen, hängte der Theater-
pionier über dem Zelteingang ein Schild mit der
Bezeichnung „Stadttheater Bruneck“ bewusst
schief auf – der bis heute bestehende Name war
„geboren“. Von Gemütlichkeit konnte im Zelt al-
lerdings keine Rede sein. Das Zelt war während
der Veranstaltungen nur zeitweise, meist in den
Pausen, beheizbar. Trotzdem wurde bei Wind
und Wetter, auch über die Wintermonate, Theater

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