Page 6 - Journal 4 Mai 2019
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MENSCHEN & POLITIK

Foto: © AdobeStock/Grecaud Paul

Gefahr laufen, wirtschaftlich und       natürlich eine Menge spannender          FPÖ könnte jedoch eine andere Frage
touristisch ins Hintertreffen zu gera-  Aspekte. Beispielsweise versucht         sein: Warum sollte jemand, dem die
ten, wären wir nicht Mitglied der EU!   die ÖVP durch ein internes Vorzugs-      ganze EU zu dumm erscheint, ausge-
                                        stimmenrennen ihrer Kandidaten           rechnet unbedingt zur EU-Wahl hin-
Warum forcieren dann so viele Poli-     die Wählermobilisierung voranzu-         gehen wollen?
tiker und Parteien den Eindruck, die    treiben. Die FPÖ wiederum übt sich
EU-Politik wäre eine Außenpolitik?      mehr in sprachlicher Radikalität, da-    Spielen Sachthemen überhaupt eine
Österreichische Parteien werden aus-    mit möglichst keiner ihrer Anhänger      Rolle oder wird vielmehr eine geziel-
schließlich in Österreich gewählt.      uninteressiert am Wohnzimmersofa         te Emotionalisierung als Mittel ein-
Sogar bei der EU-Wahl ist das so. In    bleibt, anstatt ins Wahllokal zu ge-     gesetzt, um die eigenen Wähler zu
Brüssel und mit 27 anderen Mitglieds-   hen. Und der Grüne Werner Kogler         mobilisieren?
ländern tolle Arbeit als Innenpoliti-   und der Ex-Grüne Johannes Voggen-        Es gibt eine aktuelle Studie der Ös-
ker zu leisten und dementsprechend      huber verzichten zwar sorgsam auf        terreichischen Gesellschaft für Euro-
überall anerkannt zu sein, bringt       persönliche Angriffe, doch führen        papolitik, die besagt, dass bei jenen
„daheim“ keine einzige zusätzliche      sie zwei Parteilisten an, deren inhalt-  Themen, um die sich die EU laut
Wählerstimme. Noch Fragen? Sinn-        liche Unterschiede man mit der Lupe      Meinung der heimischen Wähler be-
gemäß gilt dies natürlich genauso       suchen muss. Das hatten wir so auch      sonders kümmern sollte, etwas über-
für Landesparteien, die nur in ihrem    noch nie.                                raschend Umwelt- und Klimaschutz
Bundesland beliebt sein wollen, und                                              an erster Stelle stehen. Erst dahinter
für jeden Bürgermeister, der bloß auf   Wie wirkt sich die zunehmend             kommt der Dauerbrenner „Zuwan-
die Stimmen der jeweiligen Gemein-      heftige Kontroverse insbesonde-          derung“. Allerdings muss man dies
debürger schaut.                        re zwischen der FPÖ, sprich Ha-          etwas relativieren: Einerseits sieht es
                                        rald Vilimsky, und den anderen           je nach Parteipräferenz der Wähler
Wie sehen Sie den bisherigen Auf-       EU-Wahl-Spitzenkandidaten aus?           anders aus: Unter deklarierten Grün-
tritt der wahlwerbenden Parteien        Die FPÖ hat natürlich beinahe ein        anhängern waren und sind Umwelt
in Österreich? Was fällt besonders      Stimmenmonopol bei den EU-Geg-           und Klima immer auf Platz eins ge-
auf?                                    nern. Alle anderen Parteien sind viel    wesen, während es bei regelmäßigen
Rein aus der Sicht des Forschers, der   mehr pro Europa eingestellt. Wen         FPÖ-Wählern seit Jahren nur drei Top-
sich als Fachgebiet mit politischer     außer FPÖ sollte also jemand, der die    themen, nämlich „Zuwanderung, Zu-
Kommunikation beschäftigt, gibt es      EU ablehnt, wählen? Das Problem der      wanderung und Zuwanderung“, gibt.

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