Page 6 - Journal 1 Feber 2020
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MENSCHEN & GLAUBE

Der Prozess, dies zu ändern, wird dauern. Was kann die          ohne gemeinsame Feiertage und gemeinsamen Sonntag
Kirche konkret tun? Was wird schon getan?                       wird immer kälter, ärmer und härter.
Für den Gewinn an Glaubwürdigkeit gibt es für mich zwei
wichtige Ansätze: engagierte, glaubwürdige Menschen             Wo möchten Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
und der Blick auf die Botschaft Jesu. Meine Erfahrung ist       tern in Sachen „Jugendarbeit“ im Seelsorgeraum Lienz
die: Wenn sich jemand engagiert und für eine gute Sache         Nord konkret ansetzen?
einsetzt, dann kommt die Glaubwürdigkeit automatisch.           Einige Schritte, die wir in St. Andrä, Gaimberg und Thurn
Wichtig ist nur die Reihenfolge: Ich tue etwas, weil mir diese  versuchen, möchte ich als Beispiel nennen: Wir fördern
Sache oder diese Menschen wichtig sind, und nicht: Ich tue      z.B. die Gemeinschaftserlebnisse der MinistrantInnen.
es, damit ich wichtig bin oder damit die Kirche wieder mehr     Letztes Jahr gab es ein Völkerballturnier und die Möglich-
Glaubwürdigkeit gewinnt. Jugendliche lassen sich nicht          keit, im Pfarrgarten St. Andrä im Zelt zu übernachten und
„verzwecken“ – und das ist gut so. Es ist so wertvoll, wenn     bei Grillen und Musik einen netten gemeinsamen Abend
junge Leute ganz konkret Menschen erleben, die für sie Leit-    zu verbringen. Der Pfarrgarten St. Andrä mit dem Fußball-
personen oder sogar Vorbilder sind. Ich wünsche mir, dass       platz soll ein guter Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und
es in jeder Pfarre Personen gibt, die sich ganz besonders für   Familien werden. Mit dem Jugendchor und verschiedenen
die Kinder und Jugendlichen einsetzen. Dann ändert sich         Musikgruppen fördern wir hingegen das musikalische Ta-
auch vieles im Denken und im Handeln der Pfarren.               lent. Den Jugendkreuzweg am Karfreitag um 5.00 Uhr früh
                                                                möchte ich wieder gemeinsam mit der Landjugend/Jung-
Wie sehr muss, wie sehr sollte und wie sehr kann denn die       bauernschaft gestalten. Wichtig ist mir, dass wir die Got-
Kirche darauf eingehen, dass die Religion vieler Jugend-        tesdienste so feiern, dass die Kinder und Jugendlichen An-
licher individualisiert ist?                                    regungen für den Glauben erhalten und Schritt für Schritt
Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass Glaube etwas          auch mit den großen Bibelstellen vertraut werden. Die Vor-
sehr Persönliches ist. Glaube ist weder ein Einheitskleid       bereitung auf Erstkommunion und Firmung soll Möglich-
noch eine Einheitssuppe. Jeder individuelle Mensch hat          keiten für die Kinder, Jugendlichen und Eltern eröffnen,
einen unendlichen Wert und ist nicht eine austauschbare         um Glaubenserfahrungen zu machen. Die Assisifahrt mit
Nummer. Der Blick auf den Einzelnen ist eine große Errun-       den Firmlingen bietet die Chance für tolle Gemeinschafts-
genschaft der Neuzeit. Es gehört zum Recht der Jugend-          erlebnisse und dafür, das Lebensziel der beiden Heiligen
lichen, dass sie keine Kopie ihrer Eltern sind. Schwierig       Franziskus und Clara näher kennenzulernen. Allgemein
wird es, wenn Individualismus Egoismus bedeutet und             gilt: Nicht alles Mögliche für die Kinder und Jugendlichen
wir ganz vergessen, dass die stärkste Verbindung jene ist,      zu organisieren, sondern gemeinsam mit ihnen. Das ist ein
etwas gemeinsam zu erleben und zu tun. Eine Gesellschaft        großer Unterschied!

Foto: © AdobeStock/Vibe Images

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