Page 6 - Journal 5 Juni 2019
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MENSCHEN & KULTUR

                           Theater gespielt wird in Berg im Drautal schon        thische Truppe, die sich aus den unterschied-
                           seit weit mehr als 150 Jahren. Schon früh schuf       lichsten Charakteren zusammensetzt, harmo-
                           sich die Dorfgemeinschaft Möglichkeiten zur           niert, wie sich jede(r) einzelne einbringt und
                           Geselligkeit. Das komödiantische Talent so            begeistert bei der Sache ist, wird auch bei un-
                           mancher Dorfbewohner war legendär, das Lai-           serem Probenbesuch in der Kiesarena südlich
                           enspiel entwickelte sich zum fixen Bestandteil        von Berg deutlich. Hier treffen wir auf Bildhauer
                           des Gemeinschaftslebens. Es ist das Verdienst         Hans-Peter Profunser, der auch in diesem Jahr
                           von Idealisten wie dem Schuhmachermeister             für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet.
                           Anton Diemling in den 1920er-Jahren oder von          Bei der Jedermann-Aufführung vor 10 Jahren
                                                                                 erregte seine Installation aus tausenden leeren
Anita und Hans-Peter Profunser bringen sich intensiv in das Theaterprojekt ein.  Weinflaschen und einem Autowrack Aufsehen.
                                                                                 Heuer will er, wie er uns erzählt, die sinnlose
                                                                                 Verschwendung und den rücksichtslosen Um-
                                                                                 gang mit der Natur thematisieren. Anita Pro-
                                                                                 funser, Deutsch- und Geschichte-Professorin an
                                                                                 der HLW in Spittal und Hans-Peters Frau, ist die
                                                                                 Spielleiterin der Theatergruppe. Sie berichtet
                                                                                 uns, dass die Wurzeln des „Berger Jedermanns“
                                                                                 bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. „Der
                                                                                 mündlichen Überlieferung zufolge soll das in
                                                                                 Reinform und in einer alten, urwüchsigen Spra-
                                                                                 che verfasste Stück auf ein Brüderpaar zurück-
                                                                                 gehen. Matthias Staudacher wirkte im Drautal
                                                                                 als Pfarrer, sein Bruder Andreas – er soll in jun-
                                                                                 gen Jahren Hofnarr am kaiserlichen Hof in Wien
                                                                                 gewesen sein – als Lehrer. Die beiden lebten in
                                                                                 einer Zeit, die von schweren Heimsuchungen
                                                                                 und Umweltkatastrophen geprägt war und so ist
                                                                                 auch der `Berger Jedermann` als ein Spiegelbild
                                                                                 dieser Epoche zu verstehen. Das Werk behan-
                                                                                 delt Themen wie Schuld und Sühne, Leben und
                                                                                 Tod und war wohl auch als eine Mahnung zur
                                                                                 Besinnung gedacht. Der Text ist auch in seiner
                                                                                 Originalfassung heute aktueller denn je.“ Die
                                                                                 Frage, ob es einen Beleg dafür gibt, dass Hugo
                                                                                 von Hofmannsthal die Urfassung des „Berger
                                                                                 Jedermanns“ für seine Bearbeitung des inzwi-
                                                                                 schen weltbekannten „Salzburger Jedermanns“
                                                                                 herangezogen hat, beantwortet sie mit einem
                                                                                 klaren Nein. „Es gibt diesbezüglich nur Vermu-
                                                                                 tungen bzw. Hinweise, dass der Schriftsteller
                                                                                 auf seinen Reisen auch durchs Drautal gekom-
                                                                                 men sein könnte.“

„Der ,Berger Jedermann‘ gehört zu unserer DNA“, meinen Sepp Sattlegger           Darauf, dass sich der „Berger Jedermann“ in-
(„der Tod“) und Alois Unterwaditzer („Jedermann“).                               haltlich deutlich von seinem Pendant aus
                                                                                 der Mozartstadt unterscheidet, verweist Sepp
                           „Theatermutti“ Erika Auernig, die bis in die spä-     Sattlegger und informiert uns über die Rah-
                           ten 1990er-Jahre tätig war, dass die Theatertra-      menhandlung, in der ein „Guter Hirte“ (Georg
                           dition in dem Oberkärntner Ort auch schwierige        Fleißner) und ein „Pilger“ (Rudolf Profunser)
                           Zeiten überdauerte und der Konkurrenz durch           auftreten. Der auch in anderen örtlichen Ver-
                           neue Unterhaltungs-, sowie moderne Freizeit-          einen engagierte Berger spielt in der Jeder-
                           möglichkeiten standhielt.                             mann-Aufführung den Tod. „Viel edle Zeit tätst
                                                                                 du verlieren, dass du dich hättest mögen rühren
                           Heute engagiert sich ein fester Kern von rund 15      und deine Sach` und dich zu Gott bekehren,
                           bis 20 Bergerinnen und Bergern für den Erhalt         dass du tätst recht zu sterben lehren“ zitiert er
                           des dörflichen Kulturgutes. Wie gut die sympa-        für uns aus dem Originalmanuskript. Sepp gibt
                                                                                 als „Tod“ den sprichwörtlichen Gegenspieler
                                                                                 zum „Jedermann“, den Alois Unterwaditzer ver-
                                                                                 körpert. „Gleich bei meinem ersten Auftritt wird
                                                                                 klar, dass der `Jedermann` in Saus und Braus
                                                                                 lebt. Lange kann sich der Sünder jedoch nicht

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